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Natasha Pulley - Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit

 

 

 

 

Klett Cotta

2022

ebook

544 Seiten

978-3-608-98636-5

Im Jahre 1898 steigt Joe Tournier ohne jegliche Erinnerung aus dem Zug am Bahnhof Gare du Roi in Londres. Verwirrt schaut er sich um. England ist französisch, alles steht Kopf. Aufgrund seiner Verwirrung wird er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Kurze Zeit später ist er wieder in Freiheit. Da erreicht ihn eine Postkarte, die scheinbar 90 Jahre zu ihm unterwegs war: "Liebster Joe, komm nach Hause, wenn du dich erinnerst. M.". Diese rätselhafte Botschaft lässt Joe zu einem Leuchtturm auf den Äußeren Hebriden mit den Namen Eilean Mor reisen, um dort herauszufinden, warum er sich an nichts erinnert, nichts ahnend, dass er dort eine Reise in die Vergangenheit unternehmen wird. Im wahrsten Sinne des Wortes. 

 

Schon "Der Uhrmacher in der Filigree Street" war ein ungewöhnlicher Roman, mit "Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit" legt die Autorin jetzt nochmals mit Ungewöhnlichem nach.

 

Denkt man sich zu Anfang noch, dass wir einen Mann begleiten, seine Vergangenheit zu entdecken, da er durch Amnesie plötzlich in einem England gelandet ist, welches nun unter der Herrschaft der Franzosen steht, merkt man im Laufe der Geschichte, dass alles viel tiefer geht. 

 

Wir lernen Joe kennen, der - auf dem Bahnhof stehend - verwirrt darüber ist, wie er gerade an diesen Ort gekommen ist. Er weiß nicht mehr, wer er ist, wo er hin soll und wieso alles so überhaupt nicht vertraut wirkt. Kurz darauf weißt er sich quasi selbst in die psychiatrische Klinik ein und versucht fortan herauszufinden, was geschehen ist. 

 

Ein paar Jahre später bekommt er - durch einen glücklichen Zufall - die Möglichkeit, seine Vergangenheit zu erforschen. Er nimmt dies wahr und reist zu einem Leuchtturm auf Eilean Mor. Doch dort holt ihn nicht nur seine Vergangenheit ein, sie saugt ihn praktisch auf. Und ab diesem Zeitpunkt wird es verwirrend.

 

Es gibt Zeitsprünge. Und nicht wenige. Am Anfang des Kapitels wird angezeigt, wo und in welcher Zeit man sich befindet und doch war ich teilweise sehr verwirrt, wann genau wir jetzt eigentlich sind. Beim Lesen ergibt sich dies zwar durch die Mitwirkenden, doch springen wir so oft in der Zeit und auch viele Charaktere sind in den jeweiligen Epochen die gleichen, dass ich wirklich Mühe hatte, der Geschichte richtig zu folgen.

 

Zeitweise habe ich das Buch auch ein paar Tage nicht lesen können, weil ich erst mal gedanklich abschalten musste. 

 

Durch diese erschwerten Bedingungen hatte ich zeitweise nur wenig Lust, zu der Geschichte zu greifen. Da mich aber dann doch interessiert hat, ob Joe herausfinden kann, was zu seiner Amnesie führte, las ich weiter.

 

Joe ist mir sehr ans Herz gewachsen. Seine etwas naiv wirkende Art ist aber der Tatsache geschuldet, dass er schlichtweg Überhaupt nicht weiß, wie er reagieren soll. Durch seinen Gedächtnisverlust ist er auf die Hilfe anderer angewiesen, die ihm sagen, was er zu tun und zu lassen hat. Er hat sich angewöhnt, auf andere zu hören und seine Tätigkeiten auch nicht zu hinterfragen. 

 

Erst im letzten Drittel bekommt er seinen eigenen Willen zurück und stellt sich auch mal quer. 

 

Eigentlich hatte ich eine ganz andere Geschichte erwartet, aber so ging es mir schon mit dem Vorgängerroman der Autorin. Sie hat das Talent die Verwirrung des Lesers geschickt auszukosten und noch mehr Fallen, Wendungen und Überraschungen einzubauen, als man eigentlich erwarten kann. Manchmal war das auch einfach viel zu viel und zu gekünstelt. 

 

Trotzdem hat mich die Figur des Joe sehr beeindruckt. Er nimmt sein Schicksal hin und versucht, das Beste daraus zu machen. Mit seiner ruhigen Art leistet er quasi einen stoischen Widerstand - er lässt sich nicht unterkriegen, saugt die Situationen um sich herum quasi ein und treibt mit dem Geschehen mit. Seine Gedanken drehen sich mehr um die anderen, als um sich selbst. Warum er sich nicht erinnern kann, ist ihm quasi egal, er will einfach nur herausfinden, wie er sich wieder erinnern kann. Und was er dafür auf sich nimmt, ist fast heroisch zu nennen. Die Hilfe, die er dabei von Kite, einem eher mürrisch wirkenden Mann, erhält, würden andere wohl als nicht hilfreich deuten. Joe hingegen klammert sich fast an diesen Charakter, denn er ist der Einzige, der so etwas wie einem Freund gleichkommt, auch wenn im Laufe der Geschichte Dinge passieren, die man keinem wünscht.

 

Die Verstrickungen im Laufe des Buches, die Zeitsprünge, die immer neuen Charaktere, die Naivität von Joe und vor allem die ausufernden Erklärungen konnten mich letztendlich nicht recht überzeugen. 

 

Meggies Fussnote:

Ungewöhnlich.

 

* * *

 

eingetragen in folgenden Challenges:

ABC Listen Challenge 2022 (Einzelband)

Buchseiten Challenge 2022 (5 Punkte)

Weltenbummler Challenge 2022 (Frankreich)

 

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